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Neu im Sportalpen-Team: Mich Kemeter

Mich Kemeter: Die Slackline ist immer mit dabei.

Was wäre Mich Kemeter ohne seine Slackline? Auf dem 25 Millimeter dünnen Gurtband balancierte er schon über Seen, Täler und Berggipfel. Egal bei welchem Wetter und wie tief es hinuntergeht. Slacklinen ist mehr als nur eine Leidenschaft für den gebürtigen Steirer.

Wie bist du zum Slacklinen gekommen?

Anfänglich widmete ich mich als gelernter Waffentechniker dem Leistungssport. Durch das Sportschießen bin ich dann auf das Slacklinen und Klettern gekommen. Kurze Zeit später beschloss ich, dass ich mit Frieden und nicht mit Waffen durch das Leben spazieren möchte. Neben dem Sport beschäftigte ich mich immer mehr mit mentalem Training. Das ist nicht nur für den Spitzensport wichtig, sondern auch für extreme Situationen.

Was bedeutet für dich Erfolg?

Erfolg bedeutet für mich, wenn ich nach einem Projekt gut heimgekommen bin. Und wenn ich die innere Ruhe – beziehungsweise den „state of excellence“ erreiche. Das ist ein spezieller Flow-Zustand. Dabei ist der Weg in sich selbst das Ziel. Wenn ich also etwas mache, dann konzentriere ich mich nicht auf das Ziel, sondern auf den Weg dorthin.

Was waren deine persönlichen Highlights?
Mich Kemeter weiß ganz genau, wie man die innere Ruhe findet.

Meinen ersten Longline Weltrekord (217 m) im „On Sight“-Stil (im ersten Versuch über die Line spaziert, Anm.) schaffte ich 2009 in St. Johann in Tirol. Dann ging es weiter mit der ersten 103 m Highline in Europa 2010 im Elbsandstein (Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien, Anm.). Meine erste „Free Solo On Sight“-Begehung der „Lost Arrow Spire“-Highline fand 2011 statt. Es ist die erste Highline weltweit mit 17 m Länge und 880 m Exponiertheit über dem Talgrund des Yosemite Valley Nationalparks in Kalifornien. Mein letztes persönliches Highlight war eine 31 m Free Solo Highline am Taft Point im Yosemite Valley mit einer Exponiertheit von 1.000 m bis zum Talgrund im Jahr 2011.

Was waren die ausgefallensten Orte?

Ich würde sagen der 250 m Waterline Weltrekord am Grünen See in der Steiermark. Ebenso die Gorge du Verdon Highline Erstbegehung im Winter 2014 in Frankreich und die erste Highline zwischen zwei Segelbooten in Abu Dhabi beim Ocean Race.

Welche Eigenschaften sind beim Slacklinen wichtig?

Es geht vor allem um Vertrauen. Man muss sich selbst vertrauen und einfach wissen, warum man etwas nicht macht. Motivation ist auch eine wichtige Eigenschaft. Da spielt das Umfeld eine Rolle – wenn Freunde und Family hinter einem stehen, ist das alles viel einfacher. Die wichtigste Eigenschaft: Man muss Spaß dabei haben.

Du sprichst sehr oft von dem eigenen Vertrauen, woher hast du deines?

Man gibt sich dem Dasein hin, damit man volle Sicherheit hat. Die externen Sicherungen (wie ein Sicherungsseil) werden durch interne (Sicherheit, Vertrauen im Kopf) ersetzt.

Nebenbei arbeitest du als Mental-Coach. Wie kann man sich das vorstellen?

Es geht vor allem um Balance und Regeneration im Leben. Ich hab kein fixes Büro, mein Arbeitsplatz ist im Bus. So komme ich überall hin und bin flexibel. Ich nehme oft selbst an siebentägigen Intensivseminaren teil – dort halte ich auch Vorträge oder zeige Probanden das Slacklinen. Sport ist in Seminaren sehr wichtig. So lernt man sich selbst zu vertrauen.

Mit seiner Slackline balanciert er über Seen, Täler und Berggipfel.
Hast du einen Lieblingsplatz?

Nein, mein Lieblingsplatz ist tief in mir drinnen (Mich Kemeter grinst). Aber in ganz Österreich gibt es viele schöne Plätze. Natürlich auch weltweit – das Yosemite Valley erinnert mich auch jedes Mal an meine Heimat.

Bist du oft in deiner Heimat?

Eigentlich wohne ich seit fast zwei Jahren in meinem Bus und toure durch die Weltgeschichte. Ich würde sagen, ich ziehe mit der Sonne. Die meiste Zeit bin ich daheim, wenn es regnet und ich nicht trainieren kann.

Was war dein schönster Moment?

Es gibt für mich nicht DEN schönsten Moment. Der Fokus liegt im „Flow-Dasein“ und das kann ich sowohl bei einem Sonnenauf- oder untergang haben oder eben auf der Slackline. Natürlich auch bei Klettereien mit oder ohne Seil oder einfach, wenn ich in den Bergen unterwegs bin.

Was steht für heuer auf deiner To-Do-Liste?
Mich Kemeter: Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen.

Ich möchte noch einmal über den Grünen See auf der Slackline balancieren. Dort bin ich aufgewachsen. Außerdem habe ich eine spezielle Bindung zu dem Gewässer. Mein Opa hat sich jahrelang dafür eingesetzt, dass der See nicht abgepumpt wird. Und er hat sein Ziel erreicht: Die Wasseroberfläche des Sees steht jetzt unter Naturschutz. Einer der Gründe, warum es mich immer wieder in meine Heimat zieht. Zusätzlich möchte ich noch Solo Baseklettern in Südfrankreich, Spanien und Italien. Im September bin ich in China unterwegs und halte Vorträge in ganz Europa. Natürlich stehen auch regelmäßig Slackline-Shows und Kletter-Projekte am Plan.

Was ist dein Lebensmotto?

Das ändert sich öfter. Zur Zeit würde ich sagen: Gib jeden Tag einen Grund, dass er in Erinnerung bleibt. Oder: Leben ist zeichnen ohne Radiergummi.