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Klettern: Umsteigen auf Mehrseillängen

Wer jeden Winkel in der Kletterhalle auswendig kennt, sehnt sich nicht selten bald nach einem Mehrseillängen-Abenteuer am Fels. Um festzuhalten was man beim Umstieg auf Mehrseillängen benötigt und was dabei zu beachten ist, hat Sportalpen den Profis im Salewa Store in Wien einen Besuch abgestattet.

Zu Gast bei den Experten

Kletterstore Salewa
Wir sprachen mit Stefan Springer von Salewa über die neuesten Trends in Sachen Ausrüstung.

Salewa Storeleiter Stefan Springer und sein Kollege Manuel Prenner haben für uns die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände zusammengetragen und erklären ihre Einsatzgebiete. Außerdem sprachen die beiden über die Kommunikation am Fels, das Verhalten in der Wand und die richtige Vorbereitung für Mehrseillängen-Abenteuer.

Vorsicht an alle Einsteiger: Dieser Artikel ist kein Ersatz für eine Alpinausbildung oder ein Trainingscamp zum Thema Klettern, die jeder Kletterer vor dem ersten Mehrseillängen-Klettertag machen sollte.

Vorbereitung auf eine Mehrseillängen-Tour

Klettern
Kletterausrüstung fürs Mehrseillängenklettern.

Von einer Mehrseillängen-Tour spricht man, wenn mindestens zwei Kletterrouten hintereinander absolviert werden.
Im Unterschied zum Sportklettern (oft an der künstlichen Wand) sind dabei ungleich mehr Dinge zu beachten.

Dazu zählt etwa die Planung des Ausflugs. „Die Vorbereitung für eine Mehrseillängen-Tour beginnt am Vortag.“, so Springer.

Zuerst werden die Topographie analysiert und die Eigenschaften der Routen unter die Lupe genommen. Erst dann beginnt das „ich packe in meinen Koffer“-Spiel.

Eine Checkliste zur Basisausrüstung für Mehrseillängen-Touren würden die beiden Experten so zusammenstellen:

  •        Helm
  •        Kletterschuhe
  •        Klettergurt
  •        passende Kleidung (evtl. Sonnenbrille)
  •        Rucksack
  •        Erste-Hilfe-Kit
  •        Verpflegung
  •        2 Halbseile (jeder trägt eines, Länge je nach Route, Standard: 60m)
  •        4 Schraubkarabiner
  •        Expressen (Anzahl je nach Topographie, plus 2 Reserven)
  •        3 Bandschlingen (unterschiedliche Größen, Sicherung beim Standbau)
  •        Tubus (zum Sichern/Abseilen)
  •        Magnesium
  •        Reepschnur (für Prusikknoten: Stärke 6mm, Länge 1,2m)
  •        Klemmkeile
  •        Klemmkeilentferner
  •        Klemmgeräte
  •        Schlaghaken
  •        Seilrolle (zum Retten)
  •        Guideplatte (statt ATC oder Tubus)
  •        Pickel
  •        Zustiegschuhe (Salewa Wildfire)

Materialfrage beim Mehrseillängenklettern

Klettern Experten
„Wer billig kauft, kauft oft zweimal, aber sicher sind alle Geräte.“

Natürlich gibt es von jedem Gerät viele Varianten. Eine „Materialangst“ kann Springer allerdings ausschließen: „Alle Produkte, die in Österreich auf den Markt kommen, sind nach den höchsten Qualitätsstandards hergestellt und überprüft worden.“ Dennoch gilt auch bei der Kletterausrüstung für Mehrseillängen-Touren: Wer billig kauft, kauft zweimal. Unterschiede im Verschleiß unterscheiden Billigprodukte von der Qualitätsware.

Mehrseillängen und die Sicherheit

Der Flakturm in Wien.

Wurden die beiden Halbseile mit einem Achterknoten an beide Enden der Klettergurte geknüpft kann es endlich losgehen: Der Vorsteiger macht sich auf den Weg, während der Nachsteiger sichert. Das Sichern bei Mehrseillängen ist Erfahrungssache. „Mit einem Halbmastwurfknoten, dem Vorsteiger im Auge und einem guten Stand reduziert man das Risiko auf ein Minimum“, erklärt Springer.

Eine Auffrischung der Sicherungstechnik (inkl. Knotenkundevideo) gibt es in unserem Artikel dazu. Auch hier ist eine Einschulung durch Profis – sollte diese noch nicht gemacht worden sein – dringend anzuraten.

Kommunikation am Fels

Ist der Vordermann außer Hörweite behilft man sich durch Seilkommandos.

Hat der Vorsteiger das Ende der ersten Mehrseillängen-Route erreicht, gilt es einen Stand zu bauen. Auch hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten. Im Idealfall befindet man sich an einer Stelle in der Wand, in der man eine stabile Position einnehmen kann und gleich mehrere Fixpunkte vorfindet (mehr Infos zum Standbau im Artikel zur Sicherungstechnik). Ein Beispiel für die Kommunikation nach Beendigung des Standbaus sieht etwa so aus:

–       Vorsteiger: „Stand“
–       Nachsteiger: „Seil ein“
–       Vorsteiger: „Kommen!“
–       Nachsteiger: „Ich komme“

Weil es vorkommen kann, dass der Nachsteiger den Vorsteiger nicht mehr hört – etwa wenn er um eine Ecke klettert oder viele Seilschaften unterwegs sind – ist es außerdem sinnvoll, sich auf nonverbale Verständigungsformen beim Mehrseillängenklettern zu einigen. Bewegungen des Seils können dem Nachsteiger wichtige Zeichen geben. Hat der Nachsteiger den Vorsteiger erreicht gibt es zwei Möglichkeiten:

1)   Raupen
2)   Wechselführung

Je nachdem ob sich der Vorsteiger erneut als erster in die nächste Runde begibt (Raupen) oder der Nachsteiger die Führungsrolle übernimmt (Wechselführung) muss der Stand dementsprechend eingerichtet werden.

Den Wahnsinn erkennen beim Mehrseillängenklettern

„Der schlimmste Feind beim Klettern ist die Selbstüberschätzung.“

Werden alle Richtlininien eingehalten, ist Mehrseillängenklettern ein sicherer Sport. Die größte Gefahr liegt laut Springer im Kopf der Sportler: „Die Selbstüberschätzung oder falsche Planung sind die häufigsten Fehler bei Mehrseillängen-Touren.“ Ein Zitat von Bergsteiger-Legende Reinhold Messner passend dazu: „Die Kunst des Bergsteigens ist es, die Grenzen zwischen Feigheit und Wahnsinn zu erkennen. Mit anderen Worten – den größtmöglichen Schwierigkeiten mit größtmöglicher Vorsicht zu begegnen.

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