Skikanten zu schleifen ist eigentlich Profi-Angelegenheit. Die richtige Behandlung resultiert oft aus langer Erfahrung. Aber irgendwo muss man ja auch anfangen. Ski-Fachmann Ernst Kain zeigt uns wie.
Das Risiko beim Skikanten schleifen
Es hat schon einen Grund, warum sogar Servicemänner im Weltcup-Zirkus unterschiedliche Ansätze beim Skikanten schleifen verfolgen. Experimente führen im schlimmsten Fall zur Unfahrbarkeit. Die Vorgehensweise ist in der Grundstrukutr aber überall dieselbe. Das Material, das man zum Skikanten schleifen braucht, kostet natürlich auch. Auf lange Sicht gesehen rentiert sich die Anschaffung. Außerdem fährt auf der Piste der „Selfmade“-Gedanke immer mit. Ernst Kain, selbstständiger Service-Profi bei Salomon, gab Sportalpen.com nach dem „Wachsl-Guide“ einen Leitfaden fürs Skikanten schleifen mit auf dem Weg.

1) Belagskontrolle vor dem Skikanten schleifen
Mit dem Haarlineal wird überprüft, ob der Belag „plan“ ist. Im Optimalfall zeigt der Belag von einer Kante zur anderen keine Wölbung. Weder nach innen (konkav), noch nach außen (konvex). Finden sich hier grobe Ungleichheiten (vor allem bei Schaufel und Skiende), empfiehlt sich ein Besuch beim Sporthändler, der den Belag plan schleift.

2) Abhängen der Kante
„Fabriksmäßig kommt ein Ski in der Mitte hängend geschliffen vom Band. Vorne und hinten fehlt der Schliff, weil die Maschine das einfach nicht kann“, so Kain. Ziel ist es, die Außenkante im Verhältnis zur Innenkante in einem Bereich von 0,5 und 1,5 Grad abzuschleifen. Je nach Disziplin variiert die Schräge.
Ungefähre Richtwerte für die abhängenden Gradwerte sind:
- Slalom: bis 0,5 Grad
- Riesenslalom: um 0,5 Grad
- Super-G: um 1 Grad
- Abfahrt: zwischen 1 und 1,5 Grad
Um eine Schräglage der Feile zu erzeugen, sollte zwischen der gegenüberliegenden Kante und dem Hobel ein kleiner Dummy eingelegt werden. Dazu reicht schon ein gefaltetes Papier. Das Ergebnis ist allerdings etwas ungenauer als beim Profi-Tool.
Vorgehensweise: Feile auf der Unterseite des Skis platzieren und in Fahrtrichtung ziehen.
Ergebnis: Der Ski wird drehfreudiger.

3) Seitenwange weghobeln
Bevor man beginnt, die Skikante zu schleifen, kommt der Seitenwangenhobel zum Einsatz. Damit wird überschüssiger Kunststoff abgetragen, was einen feineren Schliff ermöglicht. Anstatt der Seitenwangenhobel kann auch eine sehr grobe Feile (etwa fünf Zähne pro Zentimeter, Karosseriefeile) verwendet werden.

4) Grobes Hinterschleifen
Das Schleifen der Skikante erfolgt wiederum mit der groben Feile. Diese wird auf einen Metallwinkel (üblicherweise zwischen 88 und 90 Grad) geklemmt. Kain empfiehlt, mit der groben Feile zuerst einen Grad steiler als am Ende gewollt zu schleifen. Zur Erfolgskontrolle markiert Kain die Kante mit einem Filzstift. Verschwindet die Zeichnung nach der Bearbeitung überall, ist die Kante gleichmäßig geschliffen. Bleiben Reste, muss nachgearbeitet werden.
Tipp: je besser der Fahrer, desto spitzer der Winkel. Außerdem wichtig: Immer darauf achten, dass die Kante nie tiefer als der Belag ist. Sonst greift der Ski nicht mehr.

5) Weich feilen
Als nächstes kommt die weichere Feile zum Einsatz. Wurde bei der groben Feile ein 87-Grad-Winkel gewählt, so bietet sich hier die 88-Grad-Variante an. Wieder geht es so lange vor und zurück, bis die eine gleichmäßige Kante erreicht wird.

6) Nachbearbeitung
„Der feine Grat, der durch das Feilen entstanden ist, wird am besten mit einer Diamantfeile entfernt“, erklärt Kain.
Danach wird der Schleifstein aktiviert, der, gleich eingespannt wie die weiche Feile, die Kante poliert. Eine verminderte Reibung ist das Resultat.
Für den buchstäblich letzten Schliff sorgt der Schleifgummi, der auch die letzten Grätchen entfernt. Dadurch wird das Verkantungsrisiko minimiert.
Tipps zum Skikanten schleifen
Eine hängende Kante erhöht die Drehfreudigkeit des Skis und vermindert das Verkantungsrisiko. Bei falscher Bearbeitung wird der Ski allerdings unfahrbar. Die ersten Versuche beim Schleifen der Skikanten nicht am High-End-Ski durchzuführen, kann also Geld und Nerven sparen.
Des Weiteren gilt: Je spitzer der Winkel, desto schneller wird die Kante wieder stumpf. Die Anwendung des Schleifsteins bremst zwar die Abnutzung, aufhalten kann er sie jedoch nicht.
Früher schliefen wir die Aussenkanten anders als Innenkanten. Die Aussenkante vorne und hinten wurde meistens auf einer gewissen Länge
stumpfer gemacht. Bei der heutigen Carvingtechnik scheint es, glaube ich, nicht mehr zu zutreffen. Oder liege ich hier falsch?
Chris Mozolowski
Wenn man belagseitig um 0.5° abhängen möchte, bleiben bei mittleren und groben Strukturen die Spuren vom Schleifen in der Kante. Daher muss die Struktur nach innen versetzt werden. Im Bereich der Kante darf nur eine feine Struktur aufgetragen werden.
Toller Beitrag!!!
Ich habe gute Erfahrung gemacht, wenn nur das erste Drittel des Skies abgehängt ist (ich fahre einen Slalomski 170 cm). KEIN Verschneiden und trotzdem noch Biss).
Deckt sich das mit Euren Erfahrungen???
Schöne Anleitung, danke.
Aber ein Punkt ist mir nicht klar, wenn doch eine hängende Kante die Drehfreudigkeit des Skis erhöht, warum wird dann die Kante zum Slalom wenig und zur Abfahrt stark abgehängt?
Die <Kannte hatte ja ursprünglich einen 90 Grad Winkel. Wenn du nun die Unterkante um 0,5 Grad (hängend) abschleifst greift der Ski schneller als wenn du die Kannte um 1 Grad absenkst. Wenn du dabei noch die Seitenkante um 1.5 Grad unterschleifst ergibt das einen Winkel von 88Grad.
Es gilt: Je kleiner der Kantenwinkel desto aggressiver und direkter das Ansprechverhalten des Ski bzw. Board.
Hallo und vielen Dank für den interessanten Artikel. Die Tipps hier sind sehr gut. Trotzdem gehe ich lieber zum Skiservice. Nachher sind meine Ski noch kaputt.
Ich glaube, dass bei Punkt 5 (Weich feilen) ein Schreibfehler ist. Wenn wir beim groben Hinterschleifen ein Grad steiler feilen damit beim späteren Weichfeilen möglichst keine Reste der Seitenwange im Wege sind, müsste es nach meiner Logik heissen: Wurde bei der groben Feile ein 87-Grad-Winkel gewählt, so bietet sich hier die 88-Grad-Variante an und nicht umgekehrt.
Beste Grüsse
Marcel
Hey Marcel,
danke für den Hinweis, du hast natürlich recht. Wurde ausgebessert!
liebe Grüße,
die Redaktion